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Die Seele Europas – 2005-2022

Elf Tagungen von 2005 bis 2022 von Amsterdam bis Jekaterinburg

Den Bericht zur zwölften Tagung 2023 in London finden Sie hier

Die Seele Europas 2005 – 2017
Tbilisi 2018
Brüssel 2019
Jekaterinburg 2022

Von Amsterdam bis Kiew 2005 – 2017

2005 entstand in Amsterdam die Initiative, zum Wesen, zur Seele, zu den Aufgaben und zu den Problemen von Europa eine Tagung durchzuführen. Erste Fragen betrafen das Verhältnis zwischen Bürgern und Politik. Das Spektrum der Fragen weitete sich aber rasch aus, zunächst aus der Sicht des Ortes, an dem man sich traf: Welche Färbung kann die niederländische Volksseele „der Seele Europas“ geben? Dann aber auch: was erwartet die Seele Europas von Mitteleuropa und von der Anthroposophie?

Von der folgenden Konferenz 2007 in Budapest an stand aber die Frage im Vordergrund: wie sind die ostmitteleuropäischen Länder mit der einschneidenden Wende 1989-1991 zurecht gekommen? Haben sich die grossen Hoffnungen, die mit dieser Wende aufleuchteten, erfüllt? Welche besonderen Probleme sind dadurch geblieben, dass in vielen Ländern die alten Seilschaften aus der sowjetischen Zeit bei grassierender Korruption weiter die Strippen in der Hand hielten und gleichzeitig ein hemmungsloser Wirtschaftsliberalismus zu Verwerfungen geführt hat, der krasse Unterschiede zwischen reich und arm entstehen liess? Die Entwicklung in den ostmitteleuropäischen Ländern ist sehr verschieden verlaufen. Einzelne Länder haben den Sprung in eine klar geführte Bürgergesellschaft mit stabiler Wirtschaft und geordneter Integration in die Europäische Union gefunden, andere dümpeln immer noch wirtschaftlich vor sich hin, weil Voraussetzungen für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung nicht durchgesetzt werden.

So kam es, dass die nächsten sechs Konferenzen von Prag (2008), über Danzig (2010), Varna an der bulgarischen Schwarzmeerküste (2014), Simeria im rumänischen Siebenbürgen (2015), Lahti in Finnland (2016) bis nach Kiev in die Ukraine (2017) wanderten. Jedes Mal entstand aus der Zusammenarbeit der Sektion für Sozialwissenschaften am Goetheanum und den Anthroposophischen Gesellschaften vor Ort ein spezifisches Programm, das den Bogen von den Besonderheiten des Landes zu den allgemein-menschlichen Fragen eines gemeinsamen Europas spannte.

In Budapest, dem Ort, wo 1956 erste Versuche, sich von der Vorherrschaft Moskaus zu befreien, scheiterten, ging es zunächst darum, Menschen aus West-, Mittel- und Osteuropa zusammenzuführen. An der ersten Tagung in Amsterdam hatte sich nämlich deutlich gezeigt, dass zu einem wirklichen Verständnis ein Bewusstsein und klareres Verständnis der Unterschiede von Westen, Mitte und Osten Europas nötig ist. Ganz wichtig erschien und erscheint noch heute die Überwindung des Eisernen Vorhangs, da er nicht nur eine geographische Grenze bildete, sondern auch einen tiefen Graben im gegenseitigen Verstehen von Ost- und Westeuropa erzeugte. Mitteleuropa hat dabei eine besondere Aufgabe.

In Prag, 40 Jahre nach dem Prager Frühling, lag der Fokus auf Gesellschaftsformen, in denen Menschlichkeit Platz findet. Dieses Thema führte weiter zur Dreigliederung des sozialen Organismus, die in Danzig, dem Ort der Solidarnosc-Bewegung von 1980, im Mittelpunkt stand. Und so ging es jedes Mal mit neuen Fragen weiter: In Varna am Schwarzmeer spürten unsere bulgarischen Freunde den frühen Mysterienströmungen der Thraker, der Griechen und dann der Bogumilen nach, die manche Impulse zur Bildung Europas vorbereiteten.

2014-2015 folgte aber für Europa ein Einschnitt, der das Vertrauen in eine kontinuierliche Entwicklung erheblich erschütterte. Die Krim wurde unerwartet der Ukraine entrissen und Russland einverleibt, in der Ostukraine begann ein Krieg, der noch heute nicht zur Ruhe gekommen ist, ungezählte Menschen aus dem Orient und Afrika strömten nach Europa hinein. So arbeiteten wir an der Tagung in Simeria im rumänischen Siebenbürgen an der Aufgabe, friedensfördernde Kräfte zu stärken. Das kann letztlich nur davon ausgehen, dass Menschen für Menschen anderer Herkunft, anderer Religion, anderer Kultur Verständnis entwickeln. Auch an der Tagung in Lahti in Finnland ging es 2016 um dieses gegenseitige Verständnis von Mensch zu Mensch, das ein erhöhtes Bewusstsein vom Mensch-Sein voraussetzt.

2017 rückte die Tagung in Kiev noch weiter nach Osten vor. Auf dem Gelände des uralten Höhlenklosters, das in die Anfänge der christlichen Zeit der Rus zurückgeht, fand sich in besonderer Weise Ost-, Mittel- und Westeuropa zusammen und knüpfte erneut an die allererste Fragen von Amsterdam an: was kann der spezifische Beitrag von Angehörigen eines Volks, diesmal des ukrainischen Volkes, an die Entwicklung Europas sein. Weit davon entfernt, auf diese Fragen schlüssige Antworten zu finden, entspannten sich lebhafte Gespräche über vielfältigste Unterschiede zwischen Osten, Mitte und Westen, die mithelfen, den „anderen“ zu verstehen.
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Kurzer Bericht über Tbilissi 2018

2018 ging die Tagung auf ihrer Wanderung weiter nach Tbilissi in Georgien. Wiederum ging es um den spezifischen Beitrag der Kultur eines Volkes an die Entwicklung Europas und um die Frage, was eigentlich mit Europa gemeint und gewollt wird. Ist Europa ein geographischer Begriff oder ein kulturell-geistiges Ideal? Gerade Georgien zählt ja traditionell nicht mehr zu Europa, obwohl es bereits in vorhistorischen Zeiten wichtige Beiträge zur Entwicklung europäischer Kultur geleistet hat und früher als alle europäischen Länder von einer tiefen Christlichkeit durchdrungen war.

Eine Gruppe von Freunden aus Tbilissi unter der Leitung von Nodar Belkania hatte die Tagung hervorragend vorbereitet. Die Organisation, die Verpflegung, die Betreuung der Gäste klappte in allen Teilen.

Nur mit kurzen Strichen sollen die Inhalte der Beiträge dieser letzten Tagung skizziert werden. Im Gegensatz zu den vorhergehenden Tagung war der Ost-West-Gegensatz kein Thema mehr. Nodar Belkania gelang es im einleitenden Vortrag, einen Überblick über die Geistesgeschichte Georgiens so zu geben, dass man spüren konnte: die Höhepunkte georgischer Kultur waren nicht auf das Nationale gerichtet. Offenheit für Einflüsse von überall her verschmolzen zu einem spezifischen georgischen Kulturraum, der in Verbindung stand mit den Weltregionen Europas und Vorderasiens. Auch die besondere Verbindung, die sich im 19. Jahrhundert zu Russland ergab, bedeutete für beide Länder sehr viel. Otar Kvrivishvili, Architekt, stellte in seinem Beitrag mittelalterliche Höhepunkte der kirchlichen Baukunst dar, die aus tiefem christlichem Erleben hervorging – Georgien wurde bereits anfangs des vierten Jahrhunderts christlich. Die Exkursionen vor und nach der Tagung führten zu wunderbaren Beispielen dieser Kirchenbaukunst. Gia Bughadze, Maler und Kunstwissenschafter, stellte in seinem Beitrag überraschende Bezüge zwischen dem griechisch-spanischen Maler El Greco und dem georgischen Maler Pirosmani her, die mit spirituellen Strömungen in Georgien zusammenhängen. Nargizi Tizlarishvili, Priesterin der Christengemeinschaft in Tbilissi , erzählte in herrlich frischer Stimmung, wie sehr sie Georgien immer geliebt hat, wie sie es ein wunderbares Land fand, und wie sie in tiefe seelische Probleme kam, als ihr Schicksal sie ins Ausland nach Deutschland führte. Die Erweiterung der Weltsicht, die Loslösung vom Verhaftetsein im eigenen Volk führt aber zu einem neuen Welterleben, das weit mehr allgemein-menschlich ist. Wenn man dann zurück ins eigene Volk kommt, kann neu erlebt werden, was man seinem Volk verdankt und welche Aufgaben sich für den einzelnen Menschen aus dem ergeben, was einem die Volksseele mitgegeben hat. Rati Amaglobeli, in Georgien weitherum bekannter jüngerer Dichter, zeigte anhand einer Erzählung des georgischen Dichters Vazha Pshavela den Weg eines Mannes aus einer kaukasischen Volksgruppe von seiner Verwurzelung in den Stammestraditionen ins Ausgestossensein, weil ihm sein Gewissen aus inneren Impulsen heraus eine bestimmte Tradition weiterzuführen nicht zulässt. Es ist der Weg aus dem Gruppenwesen heraus in die Individualisierung, der nur gelingt, wenn sich der Mensch mit dem christlichen Impuls verbindet. Soweit die Beiträge von georgischer Seite.

Gerald Häfner setzte die vorgebrachten Darstellungen in Verbindung mit allgemeinen Fragen der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Entwicklung in Europa. Friedrich Glasl legte den Akzent auf Entwicklungsfragen sowohl des einzelnen Menschen als auch der mesosozialen und makrosozialen Zusammenhänge in Organisationen und Staaten. Paul Mackay rückte den Zusammenhang und das Zusammenwirken des Menschen mit der Hierarchie der Engel, mit dem Volksgeist und dem jetzt wirkenden Zeitgeist Michael in den Mittelpunkt seiner Betrachtung.

Zwei besondere Ereignisse der Tagung seien noch hervorgehoben. Am zweiten Abend führte eine Gruppe junger Schauspieler unter der Regie von Valerian Gorgoshidze in georgischer Sprache Goethes Faust auf. Die kraftvolle georgische Sprache, die einfallsreiche Regie und die Hingabe der Schauspieler in ihre Rollen machten einen tiefen Eindruck. Ebenso erging es den Zuhörern am dritten Abend, als eine Gruppe von sechs jungen Sängern Volkslieder aus verschiedenen Regionen Georgiens vortrug.

Vor und nach der Tagung waren drei Exkursionen angeboten: Rundgang durch die Altstadt von Tbilissi, als zweites Besuch von Saguramo, dem Landsitz des berühmten Ilja Tschavtschavadse, Djvari und Mzcheta, als drittes ein ganzer Tag Exkursion zu zwei bedeutende Kirchen – Samthavisi und Atenis Sioni – sowie zur uralten verfallenden Höhlenstadt Uplisziche.

Dankbar und mit vielen neuen Impulsen kehrten die Teilnehmer in ihre Länder zurück. Die nächste Tagung wird vom 23.-25. August 2019 in Brüssel stattfinden.

*****

Für viele Menschen hörte Europa lange Zeit beim Eisernen Vorhang auf. Was dahinter war, kannte man nicht, klammerte man aus dem Bewusstsein aus und verfolgte politisch die Gründung der Europäischen Union zunächst als Wirtschaftsunion, aber von Anfang an schon mit einer grösseren Idee von Europa. Mit dem Fall der Berliner Mauer und den Umwälzungen in Ostmitteleuropa rückte die Grenze Europas in den Bewusstseinen etwas weiter nach Osten und umfasste auch die ostmitteleuropäischen Länder von Estland bis Bulgarien. Das führte in der Folge auch zur Erweiterung der EU. Aber Europa als geistig-seelische Ganzheit umfasst auch die Ukraine und Russland bis zum Ural. Dass auch in diesen Ländern grundlegend europäische Elemente prägend sind, wird vielfach ausgeklammert. Wie ein Gespenst steht dabei die weltpolitische Anschauungsweise des Gegensatzes zwischen USA und Russland im Wege. Auch wenn man theoretisch sich vorstellt, dass die Grenze Europas beim Ural liegt, kann so nicht begriffen werden, warum die Schwierigkeit besteht, diese Länder als vollgültige Teile Europas zu erleben.

Rudolf Steiner hat dazu am 15. Juli 1923 einen erhellenden Vortrag gehalten, den Marie Steiner unter dem Titel „Imagination Europas“ herausgegeben hat. Der Vortrag ist heute in GA 225 enthalten. Rudolf Steiner schildert hier, wie während langer Zeit so etwas wie eine Tapetenwand vom Ural über die Wolga, den Kaukasus und das Schwarze Meer bis zum Mittelmeer bestand, der zurückgebliebene ahrimanisierte Geister aus dem Raum östlich davon abgehalten haben, nach Europa hineinzuwirken. Dadurch konnte sich bis ins Mittelalter hinein Europa ungestört von diesen Kräften ganz besonders im Bereich der Denkkräfte entwickeln. Später aber ist diese Tapetenwand eingerissen und satyrn- und faunartige Wesen begannen ihr Unwesen gegen Westen hin zu treiben. Sie verbanden sich mit von Westen kommenden luziferisierten Kräften, die ins Abstrakte abgeglittene materlialistische Ideen und Ideale nach Osten trugen. Daraus entstanden wie in einer brünstigen Verbindung von kopflosen, aber willenskräften Wesen aus dem Osten mit westlichen Kopfwesen Kräfte, die in Osteuropa zu den Experimenten des Bolschewismus geführt haben. Nun scheint ja der Bolschewismus 1989 nach 72 Jahren, nach der Zeit eines menschlichen Lebensalters, seine ideelle Kraft gänzlich verloren zu haben. Wie aber solche düstere Wesen in Osteuropa die sozialen Verhältnisse gestalten, ist weitergegangen. Der Wirtschaftsliberalismus könnte ja, bei echter Ehrfurcht und Würdigung des einzelmen Menschen, zu einer brüderlichen Wirtschaftsordnung führen. Was aber nach 1989 in ganz Osteuropa einriss, war ein Wirtschaftsliberalismus, in dem sich die theoretische Wirtschaftsfreiheit, also eine luziferische Idee, mit rücksichtslosem Egoismus zum Regime von Oligarchen und korrupten Regierungskliquen, somit zu ahrimanischen Machtgebilden, entwickelt hat. Ebenso verbinden sich nationale Ideen mit „Bauch“-Kräften aus dem Untergrund der Mottenkiste der Geschichte zu Nationalismus, Chauvinismus und Fremdenhass – Phänomene, die besonders in den letzten Jahren in vielen Länder Osteuropas ihr Unwesen treiben. Und was ist das Einspannen der Orthodoxen Kirche mit ihrer Gläubigkeit in die Machtstrukturen einiger Länder anderes als ein unsauberes Zusammenwirken von hohen, aber korrumpierten Idealen mit unbewusst-untergründigen Bindungen an rückwärts gewandte Kräfte.

Europa ist auf dem Weg, sich im Konzert des Weltganzen mit seinen Aufgaben neu zu finden – oder sich zu verlieren. Die Tagungen „Die Seele Europas“ möchten zu diesem Weg einen Beitrag leisten.

Hans Hasler Abdruck aus der Vierteljahresschrift STIL – Goetheanismus in Kunst und Wissenschaft, Heft 1/2018 – überarbeitet und erweitert.
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Europa und die EU

Vom 21. bis 23. August 2019 fand in Brüssel mitten im Zentrum der EU-Institutionen die 10. Tagung «Die Seele Europas» statt. Während diese Tagungen während Jahren im ostmitteleuropäischen Raum durchgeführt worden sind, hat sich neu ein weiter Pendelschlag zwischen Ost und West ergeben: 2018 in Tbilissi in Georgien, 2019 Brüssel, 2020 Jekaterinburg im Ural und 2021 voraussichtlich in London.

Vielerlei Eindrücke: perfekte Tagungsorganisation, ca. 150 Teilnehmer aus vielen Ländern, hervorragende Referate, interessant-herausfordernde Eurythmieaufführungen durch das ihoch3 Eurythmy Ensemble und vielfältige Arbeitsgruppen. Während der Tagung konnte man eindrücklich die Einrichtungen, das Funktionieren und die Probleme der Europäischen Union erleben. Mario Damen schilderte bei einer Exkursion die Organe der EU und ihre Entscheidungsmechanismen und führte durch das europäische Parlament, den gewaltigen Redeclub mit über 700 Teilnehmern, die mit einem unübersehbaren Stab von Übersetzern die Folgen des Turmbaus zu Babel zu überwinden versuchen. Gerald Häfner und Paul Mackay zeigten auf, wo wesentliche Mängel und Fehlkonstruktionen vorliegen. Die EU wird meist von aus Regierungen gebildeten Organen gelenkt, der Einfluss der Bürger ist zu gering, es gibt zu wenig Beteiligung der Zivilgesellschaft, zu viel Einfluss der grossen Interessengemeinschaften. Die monetären Einrichtungen sind alles andere als sozial gesund. Alexander Gerber und Michaela Glöckler konnten aber auch berichten, wie die professionelle Lobby der biologisch-dynamischen Landwirtschaft und der anthroposophischen Medizin durchaus mit gewissem Erfolg arbeitet.

Unverkennbar ist aber ein Problem, das in Westeuropa und insbesondere im Europa-Brüssel virulent ist: die oft nur unbewusste Tendenz, die EU mit Europa zu identifizieren. Aber die EU ist nicht Europa. Zu Europa gehört noch mehr, wobei es, ganz abgesehen von der Schweiz und Norwegen, um Russland und die Ukraine geht. Symptomatisch für diese Tendenz sind solche Kleinigkeiten wie die Überschrift auf Darstellungen landwirtschaftlicher Statistiken über dies und das, die im Titel «…in Europa» haben, aber nur Angaben über EU-Länder enthalten, wobei gerade da grösstes Interesse dafür wäre, wie der Vergleich mit den übrigen europäischen Ländern aussieht.

Mehr als die Hälfte der Referate ging aber weit über die Probleme der EU hinaus in Bereiche, wo – ausgesprochen oder nicht – die Frage nach der «Seele Europas» auftritt. Ich greife nur wenige Motive heraus. Wie kann sich die Idee «Europa» inkarnieren? Wie wird man Europäer? Was bedeutet es, Zeuge der europäischen Geschichte zu sein? Europa ist nicht das Europa der Institutionen, auch nicht das Europa der Idee, es lebt dort, wo sich die beiden begegnen, wo Form und Möglichkeiten, pouvoir und potentialité, sich verbinden. Es würde sich lohnen, diesen Gedankengang, den Christine Gruwez vorgelegt hat, ausführlich darzustellen. Andrej Zhiltsov aus Odessa beschrieb Gliederungen innerhalb Europas, die durch eine lange Geistesgeschichte verständlich werden. Christiane Haid sprach von Heimatlosigkeit und Bewusstseinsseele. Stephan Kirste und Jaap Sijmons schilderten philosophische Aspekte, die zum Entstehen eines Bewusstseins von Europa beigetragen haben.

Fazit: eine ausgesprochen reiche, vielfältige und manche Fragen klärende Tagung.
Hans Hasler
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11. Konferenz «Die Seele Europas – Erleben von Grenzen»

Nach Lahti, Finnland (2016), Kiew (2017), Tbilisi (2018) und Brüssel (2019) war die elfte Tagung «Die Seele Europas» mit dem Thema «Erleben von Grenzen – Europa vom Atlantik bis zum Ural» in Jekaterinburg geplant, musste aber wegen Korona zweimal verschoben werden. Und auch in diesem Jahr konnte sie in der aktuellen Weltlage nicht als internationale Tagung durchgeführt werden. Dennoch haben die Freunde in Jekaterinburg eine Tagung mit Teilnehmern aus zehn verschiedenen Städten Russlands vorbereitet und durchgeführt.

Dieses Treffen mit ca. 40 Teilnehmern war gleichzeitig die neunte Tagung einer Reihe, die seit 2013 von der Gruppe «Ural» der Anthroposophischen Gesellschaft in Russland zum Thema «Ural: Wege zur Erkenntnis von Grenzen» durchgeführt wird. Dieses Thema hat für Menschen, die an der Grenze zu Asien leben, eine grosse Bedeutung. Ausgangspunkt für die Betrachtungen ist seit Beginn der Arbeit der Vortrag, den Rudolf Steiner am 15. Juli 1923 in Dornach gehalten hat: «Die Imagination Europas», abgedruckt in GA 225.

In den Vorträgen der Tagung klangen vielfältige Themen an: Olga Kornienko aus Jekaterinburg sprach über «Ural: Grenze – Kreuzung – Begegnung». Hans Hasler schilderte in einem Online-Beitrag den Werdegang der Tagungsreihe «Europa vom Atlantik bis zum Ural – die elfte Konferenz ‹Die Seele Europas›». Elena Druzhinina aus Nizhnij Nowgorod befasste sich mit «Geistige Aufgaben Russlands und Mitteleuropas», Oleg Bogorew aus Sankt Petersburg mit «Erleben und Überwinden von Grenzen in der Epoche der menschlichen Freiheit» und Tatjana Pawlowa aus Rostow am Don mit dem Thema «Von der trennenden Wirkung von Grenzen zur verbindenden Kraft der Schwelle zur geistigen Welt». Anschliessend an die Vorträge wurden jeden Tag die Themen in kleinen Gruppen in Gespräch vertieft.

Eurythmie spielte eine grosse Rolle während der ganzen Konferenz. Der Grundsteinspruch wurde zur Eröffnung vom «Theater-Studio Eurythmie Sankt Petersburg» in deutscher Sprache aufgeführt, an den folgenden Tagen abwechseln auf Deutsch und auf Russisch und zum Tagungsabschluss nochmals auf Russisch. Die Eurythmisten führten zwei Arbeitsgruppen, eine zum Thema «Wille – Gefühl – Denken im Grundsteinspruch», die andere zu den Märchen aus den Mysteriendramen. Ein besonderes Erlebnis war die Aufführung des Programms «Hören – Sein – Schaffen: Der Atem der Zeit», die von den Petersburger Eurythmisten während der grossen Eurythmietagung auch am Goetheanum gezeigt worden war.

Eine weitere Arbeitsgruppe zum Thema «Ural – östliche Grenze Europas» zeigte als Ergebnis zwei wunderbare Karten Europas, die eine gemalt, die andere in Ton modelliert. Am letzten Abend bewegten sich die Teilnehmer in Volkstänzen aus verschiedenen Teilen der Erde.

Zum Abschluss wurde ein Grusswort an die Organisatoren und Teilnehmer der nächsten Tagung «Die Seele Europas» aufgenommen, die vom 2. bis 6. August 2023 in London stattfinden wird.

 

Das ganze Programm war umrahmt von vier Exkursionen in die Natur, die Kultur und das Leben rund um Jekaterinburg. Erwähnt sei hier lediglich der Ausflug zur sozialtherapeutischen Einrichtung «Blagoe delo» in Verch-Nejvinski, wo behinderte Erwachsene einen Ort der Arbeit, des Lebens und der Kultur finden. https://delonablago.ru.

Beide Konferenzreihen werden nächstes Jahr weitergeführt. Die Freunde in Jekaterinburg bereiten ihre zehnte Tagung vor mit dem Thema des besonderen Jubiläums „100 Jahre Weihnachtstagung“. Und für die zwölfte Tagung «Die Seele Europas» in London 2.-6. August 2023 ist als Arbeitsthema «Britain and the Wider World» vorgesehen.
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